Perfektionismus und seine Symptome

Perfektionismus als Symptom

Den meisten Menschen fällt ihr Perfektionsmusstreben über lange Jahre nicht auf, weil dieses Verhaltensmuster in unserer Kultur zur Volksseuche geworden ist. Darüber hinaus gilt das Streben nach 150%igkeit zum guten Ton. Und in bester Schwarz-Weiß-Denk-Manier, wird der, der verweigert, als faul und unzuverlässig eingeordnet. Dass zwischen Perfektionismus und Faulheit eine Vielzahl anderer möglicher Positionen existieren, wird nicht erfasst.

Perfektionismus erfordert vom Betroffenen Höchstleistungen. Er muss alles können, alles wissen, er muss jederzeit mit seiner vollen Arbeitskraft zu Verfügung stehen. Das Ziel jeder Aktion kann nur die optimale Ausführung bedeuten. Im Falle eines nur 98%igen Erfolgs hat der Perfektionist das Gefühl versagt zu haben. Klingt anstrengend, nicht wahr? Das ist es auch!

Kein Wunder, wenn sich zu einem Zeitpunkt Erschöpfung, permanente Anspannung und Nervosität physisch und psychisch breit machen. Der Perfektionismus ist ein Hauptaspekt für die Entstehung und Aufrechterhaltung des Burnout Syndroms und begleitet verschiedene Zwangsstörungen. Hier ist der Perfektionismus zu einem Eigenläufer geworden, Gedanken und Handeln können nicht mehr hinterfragt oder gesteuert werden. Der Mensch funktioniert wie eine Maschine. Der Tag wird nur noch in Form einer To-Do-Liste abgehakt. Der Tag wird abgearbeitet und nicht gelebt.

Die Welt schränkt sich auf gedankliche Abläufe ein:

  • Habe ich alles erledigt?
  • Was muss ich als nächstes tun?
  • Habe ich alles richtig gemacht? Ständiges Nachkontrollieren kostet Zeit
  • Ich brauche länger als andere für meine Arbeit
  • Ich habe einen Fehler gemacht! Ich bin unfähig/schlecht!
  • Schaffe ich das alles? (Die Angst zu versagen)

Mit diesen Gedanken im Kopf wird das Leben zur Qual.

Zur körperlichen Erschöpfung kommt die mentale Erschöpfung „Ich bin nicht mehr leistungsfähig“. Die Angst zu versagen, nährt den Selbstzweifel.

Der Perfektionist steht im Dauermodus von Bewertung und Beurteilung.

D.h., er muss kontrollieren. Das ganze Leben wird auf die zwei Pole „Gut“ und „Schlecht“ reduziert. Seine Welt ist wirklich nur noch schwarz und weiß, die Welt dazwischen wird nicht wahrgenommen. Es gibt kein Rot, Blau und Gelb.

Vielleicht hat er viele Jahre das Außen (Familie, Kollegen, Gesellschaft) kontrolliert und beurteilt, am Ende fällt alles auf ihn zurück. Er ist das Opfer seiner eigenen strengen Bewertung.

In der Praxis stelle ich fest, dass die hochgradigen Perfektionisten sich selbst nur noch auf der gedanklichen Ebene wahrnehmen, sie sind zu 100 Prozent mit ihren Gedanken identifiziert. Jeder Bezug zu ihrem Körper und damit zu ihren Gefühlen ging verloren.

Sie sind nicht Ihre Gedanken. Sie sind erheblich mehr!

An dieser Stelle möchte ich eingestehen, dass auch in mir starke Perfektionstendenzen sitzen. Der Weg zurück ins Gefühl war anstrengend und langwierig. Mit großer Achtsamkeit habe ich mir den Zugang zu meinen Gefühlen zurückerobert – und ich bleibe achtsam -.

Interessant ist auch die Beobachtung, dass Perfektionisten lange die Autobahn der Höchstleistungen in Höchstgeschwindigkeit fahren, bevor sich erste depressive Verstimmungen einstellen. Die kommen erst mit

  1. der körperlichen und mentalen Erschöpfung, die Batterie ist leer.
  2. und/oder durch den Umstand, dass die Umwelt sich dem strengen Bewertungs-und Leistungssystem nicht unterwerfen will. Der Perfektionist geht davon aus, dass seine Strategien die besten sind und erwartet von anderen, dass sie genauso verfahren. Aber was interessiert das die restliche Welt, sie macht was sie will! Daran scheitert und resigniert der Perfektionist!

Im Anbetracht von 7 Millionen Burnout-Patienten, Tendenz steigend, überprüfen Sie Ihren Grad an Perfektionismus. Hinterfragen Sie die Notwendigkeit von Höchstleistungen.

Hilfreich finde ich folgende Fragen:

  • Wie müde bin ich gerade? In den Körper spüren.
  • Muss ich das heute erledigen? Oder reicht es morgen oder nächste Woche?
  • Muss ich meine gesamte Persönlichkeit in Frage stellen, wenn ich einen Fehler mache?
  • Lebe ich gerade in diesem Augenblick oder funktioniere ich nur?
  • Hält die Welt an, wenn ich jetzt vom sechsten in den fünften Gang schalte?
  • Wie groß ist gerade die Angst zu versagen/nicht gemocht oder geliebt zu werden?
  • Was passiert wirklich, wenn ich einen Fehler mache? (Ganz ehrlich, wahrscheinlich nicht viel!)

Auch folgender Gedanke hilft mir das Streben nach Perfektion einzuschränken:

Der Perfektionist will perfekt sein, das ist klar. Und genau das macht ihn berechenbar. Jeder, der ihn kennt, weiß wie der Perfektionist reagieren wird. Das macht ihn nicht nur berechenbar, sondern auch manipulierbar.

Verstehen Sie, was ich meine? Perfektionisten sind nur zu bereit, Aufgaben anderer zu übernehmen, weil sie überzeugt sind, dass keiner sie besser erledigen könnte, als er. Oft sind es aber Aufgaben, die der andere gut selbst tun könnte oder sollte.

 Affirmationen zu dem Thema unter Affirmationen A-Z