Demaskieren Sie den Feind! Was Sie über Angst wissen sollten

Hier einige Informationen für die beim Arzt oft keine Zeit bleibt.

Jeder Mensch kennt Angst, sie ist wohl das grundlegendste unserer Gefühle. Auch alle Tierarten, sogar einfache Organismen wie Seeschnecken und andere wirbellose Tiere kennen dieses Gefühl. Angst ist jedoch nicht grundsätzlich schlecht, sondern eine biologisch sinnvolle Reaktion, die unser Überleben sichern soll. Der erhöhte Herzschlag, die stärkere Durchblutung der großen Muskelgruppen bereiten uns auf Kampf oder Flucht vor. Für unsere Vorfahren, die noch in freier Natur lebten, war diese Reaktion überlebenswichtig. Die Angst diente dem Körper als Signal für die Auslösung der Reaktion. Obwohl wir heute nicht mehr im Freien leben, nicht mehr wilden Tieren und extremen Wetterbedingungen schutzlos ausgeliefert sind, ist die Flucht-Angst-Reaktion auf unserer „Festplatte“ gespeichert. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen vor dem Fernseher und sehen einen Horrorfilm, die Bilder erschrecken Sie, machen Ihnen Angst, dann wäre die natürlichste Reaktion, zu fliehen oder anzugreifen. Das gleiche gilt in einer für Sie Angst und Stress auslösenden Situation mit Ihrem Vorgesetzten, wieder wäre die Flucht oder der Angriff, die unserer Programmierung entsprechenden Reaktion. Doch wir sitzen diese Situationen aus.

Körperliche Angstsymptome

Was passiert in solchen Momenten in unserem Körper? Bei Angst steigt die Erregung unseres vegetativen oder willkürlichen Nervensystems, willkürlich deshalb, weil wir die Steuerung dieses Systems willentlich kaum beeinflussen können.

Das betrifft u.a. unseren Herzschlag, Puls, unsere Atmung, Körpertemperatur, Schweißproduktion und das Magen-und Darmsystem. Innerhalb dieses Systems gibt es zwei Gegenspieler, das Sympathische Nervensystem, das erregende Botenstoffe, wie z.B. Adrenalin und Noradrenalin ausschüttet. Das Parasympathische Nervensystem dagegen schüttet dämpfende entspannende Botenstoffe aus. In Angst und Stress dominiert das Sympathische System. Dies führt zur Erhöhung des Herzschlages, Herzrasen, Schwindel, Verengung der Blutgefäße in Händen und Füßen. Hände und Füße sind bei Angstzuständen meist blass und kalt, manchmal sogar taub und kribblig.

Die Atmung verstärkt sich, wird flacher und schneller, was mit der Zeit Atemlosigkeit, Erstickungsgefühle und Beklemmungen  in der Brust auslösen kann. Die zu schnelle Atmung kann sogar dazu führen, dass die Versorgung des Gehirns kurzfristig herabgesetzt wird, was wiederum Benommenheit, verschwommenes Sehen und Gefühle der Unwirklichkeit auslösen kann.

Weiter lösen die sympathischen Aktivitäten die Weitung der Pupillen aus, verminderten  Speichelfluss und Mundtrockenheit. Die Verdauungsorgane arbeiten verlangsamt, verursachen Übelkeit und Verstopfung. Die Anspannung aller Muskelgruppen führt zu deren Verspannung und entlädt sich eventuell durch sichtbares Zittern. Der Körper fühlt sich durch diese Prozess oft erhitzt und da diese Abläufe ungeheuer viel Energie verbrauchen, ist der Körper danach müde und erschöpft.

Würden wir in Angst-oder Stresssituation körperlich agieren. Kämpfen oder Fliehen -würde der Körper das Adrenalin, Noradrenalin etc. schneller abbauen und anschließend wieder in die entspannte Lage zurückfinden. In unserem Fall verbleiben diese Stoffe länger im Körper und der Abbau sowie die körperlichen Symptome dauern an.

Tritt Entspannung ein, klingen die Symptome ab.

Gedankliche Entwicklung der Angst

Die Angst entsteht in unseren Gedanken. Der griechische Philosoph Epiktet wusste schon:“ Nicht die Dinge an sich sind es, die uns beunruhigen, sondern die Art und Weise, wie wir sie sehen.“ Die eigene Interpretation der Ereignisse jedes einzelnen Menschen ist ausschlaggebend für die Gefühlslage. Ein Beispiel:

Sie machen einen Spaziergang und wandern einen steilen Berg hoch. Es ist sehr anstrengend und Sie bemerken, dass Ihr Herz schneller zu schlagen beginnt. Sie sind nicht beunruhigt, da Sie denken, dass dies auf die Anstrengung zurückzuführen ist.  Der gleiche schnellere Herzschlag kann Sie in anderer Situation leicht beunruhigen, wenn Sie z.B. zuhause auf dem Sofa sitzen und feststellen, dass Ihr Herz schneller schlägt. Sie werden vielleicht besorgt und reagieren ängstlich. Obwohl das Symptom das gleiche ist, bewerten Sie es unterschiedlich.

Auch verzerrte Gedankenmuster ziehen Ängste förmlich an:

„Ich schaffe es nicht. Ich habe noch nie etwas geschafft.“

„Ich muss immer perfekt und 100%ig sein.“

„Alle müssen mich lieben.“

„Alles endet in einer Katastrophe!“

„Ich bin es nicht wert geliebt/gemocht zu werden.“

„Überall und zu jeder Zeit werde ich versagen.“

„Ich habe eine schwache Gesundheit.“

Diese Gedankenmuster entstehen in den meisten Fällen in der Kindheit, vielen Menschen ist die Existenz ihrer Gedanken nicht bewusst. Dennoch haben diese Muster große Macht und beeinflussen jede Entwicklung und Entscheidung des Menschen. Ganz wichtig ist auch die Erziehung. Wie sind Mutter und Vater mit schwierigen Situationen umgegangen, konnte das Kind stärkende Strategien erlernen? Oder haben die Eltern selbst große Ängste gelebt und das Kind hat diese Ängste gelernt? Übergroße Fürsorge oder auch übertriebene Strenge können Gründe für eine Angstentwicklung sein. Aber alles, was erlernt ist, lässt sich auch wieder verlernen. Diese schwächenden Muster, die von außen aufgesetzt wurden, lassen sich oft erstaunlich leicht abstreifen.

Leben in der Vergangenheit

Ein weiterer Punkt ist das Verharren mancher Menschen in kritischen Situationen aus der Vergangenheit. Gedanklich werden diese Geschehnisse beständig wiederholt. Das schlechte Erleben wieder und wieder zu aktivieren wirkt wie eine stete Retraumatisierung. Das gedankliche Leben in der Vergangenheit verhindert das Leben in der Gegenwart. Die Vergangenheit ist geschehen, die Zukunft reine Spekulation, die Gegenwart hat Potential!

Schwere Ereignisse und Trauma

Manche Menschen erleiden Schicksalsschläge, die schwer zu verkraften sind. In solchen Fälle ist es ratsam professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich stelle in meiner Praxis häufig fest, dass Menschen sich über lange Zeit an schlechte Befindlichkeiten gewöhnt haben. Sie nehmen große Einschränkungen in der Lebensqualität in Kauf, bevor sie für sich aktiv werden. Jeder Mensch ist ein Individuum und reagiert anders auf Ereignisse.

Der Fachbegriff „Vulnerabilität“ beschreibt die Empfindlichkeit oder Empfänglichkeit für Störungen. Je höher die Empfindlichkeit ist, umso eher können sich Störungen ausprägen. Es gibt Menschen, die mehrere dramatische Erlebnisse in ihrem Leben verkraftet haben ohne eine Störung zu entwickeln, anderen genügt ein kritisches Erlebnis um eine Störung zu manifestieren. Das eigene Eingestehen, sensibel zu sein, sich selbst gut und pfleglich zu behandeln, Rücksicht auf persönliche Bedürfnisse zu nehmen, sich selbst nicht zu überfordern und trotzdem weiter zu gehen kann ein guter Ansatz für Veränderung sein.

Das Verhalten

Nach dem Körper, den Gedanken ist das Verhalten die dritte Komponente der Angst. Das Verhalten einer Person mit Ängsten ist auf verschiedene Weisen beeinträchtigt. Zunächst ist da die Konzentration und Ausdauer. Im Angsterleben ist die Person nur mit großer Anstrengung in der Lage zu lesen, einem Gespräch zu folgen oder schwierige Arbeiten zu erledigen.

Weitreichend ist das Vermeidungsverhalten. (Fluchtreaktion) Der ängstliche Mensch wird Situationen meiden, welche die Angst auslösen könnten, was den Aktionsradius stark einschränkt. In der Therapie können Betroffene lernen, den Teufelskreis der Vermeidung zu durchbrechen, sich in Begleitung mit den angstbesetzten Situationen zu konfrontieren.

Warum entwickeln so viele Menschen Angststörungen?

Statistiken zeigen, dass ca. 10% der Gesamtbevölkerung im Laufe des Lebens eine Angststörung entwickeln. Unsere Zeit ist ungeheuer schnelllebig, Dinge verändern sich ständig. Alte Werte sind unbrauchbar geworden und neue Werte stehen noch nicht fest, dadurch entsteht eine große Unsicherheit. Der Reizüberflutung aus TV, Computer und anderen Medien sind wir und vor allem unsere Kinder,  schutzlos ausgeliefert. Das Erregungsniveau des heutigen Menschen liegt schon ohne Ängste sehr hoch. Wir kommunizieren schnell, sind immer im Trab und haben keine Zeit. Die stete Suggestion von außen, wie wir sein müssen, wie wir aussehen müssen, was wir besitzen müssen, wie wichtig wir sein müssen, legt unser Streben fest. Unser eigentliches Wesen, unsere Seele, unsere innersten Bedürfnisse werden übergangen. Was hilft einem Menschen, der mit tiefen Ängsten kämpft, eine Unzahl an Gütern? Gegenstände können sein menschliches Wesen nicht stabilisieren, sein Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit in seinem Leben nicht ersetzen. Wir suchen nach Bedürfnisbefriedigung im Außen, statt nach starken Strukturen im Innen.

Die schlechte wirtschaftliche Lage und der Arbeitsmarkt lösen Existenzängste aus, die zusammen mit Stress und anderen persönlichen Problemen zur Krise anwachsen können.

Es gibt Grundängste, die Sie sich mit allen Mitmenschen teilen:

Angst vor dem Alleinsein;

Angst vor dem Fremdsein;

Angst vor Hunger und Schmerz;

Angst vor Verlust;

Angst vor Veränderung

Es gibt niemanden, der diese Ängste noch nie gespürt hat.

Das Ziel 100%ig angstfrei zu leben wäre unrealistisch.

Es gilt vielmehr Möglichkeiten zu entwickeln, die richtige Mischung aus Mut und Vorsicht zu finden, um mit gedanklichen oder realen Ängsten angemessen umgehen zu können. Angstbewältigung soll nicht die Vermeidung oder Verleugnung der Angst darstellen, sondern die bewusste Annahme und Betrachtung der Ängste. Schon der genaue Blick auf das Problem kann angstlösend sein. Benennen Sie ihre Angst und unterziehen Sie sie einer Realitätsprüfung. Muss ich mich davor wirklich fürchten? Steht es in meiner Macht daran etwas zu ändern? Spielen Sie gedanklich verschiedene Lösungen durch.

Wann ist Angst behandlungsbedürftig?

Wenn die Angst ihre Lebensqualität bestimmt. Wenn angstvolle Gefühle das Erleben, Verhalten und die Entscheidungen in einem oder mehreren Lebensbereichen bestimmen.  

HP Psychotherapie 
Bettina Baumann 
Lösungsorientiert-Energetisch